Leere Gesten. Mimesis und Unterwerfung im filmischen Schaffen von Yorgos Lanthimos
DOI:
https://doi.org/10.17892/app.2017.0005.56Schlagworte:
Giorgio Agamben, Yorgos Lanthimos, Athina Rachel Tsangari, Guy Debord, Alpeis, Kinetta, Geste, Medialität, Mimesis, Performativität, Ethik, Aktion, Subjekt, Subjektivität, Sprache, Unterwerfung, Entfremdung, Pantomime, Commedia dell’ArteAbstract
Man kann ohne Übertreibung sagen, dass Yorgos Lanthimos’ Filmwelt durch die Geste definiert werden kann. Ganze Sequenzen seiner Filme porträtieren die Charaktere dabei, wie sie komplexe und arbiträre Gesten ausführen, oder wie sie – auf Anweisung – durch eine Reihe von inszenierten Bewegungen einen Text verkörpern, mit dem Ziel, den Fantasien oder verlorenen geliebten Menschen eines Anderen Gestalt zu geben. Sprache selbst wird oft zu einer Geste reduziert – zu einer obsessiven und leeren Darstellung, einer Bewegung, der nicht nur der Sinn, sondern auch die Emotion geraubt wird. Diese eigenartige Welt ist ferner von Automatismen und Wiederholungen gekennzeichnet, welche die Idee von der Geste als etwas entweder rein ästhetisches oder an sich befreiendes in Frage stellen, und stattdessen ihre Verflechtung mit Macht und Unterwerfung bestätigen. Die Charaktere scheinen die Abläufe des Lebens, der Liebe und der Trauer zu durchlaufen, ohne tatsächlich zu leben oder den eigenen Gefühlen Ausdruck zu verleihen. In diesem Sinne wirken ihre Gesten oft nicht mimetisch, sondern automatisch; sie sind nicht nur frei von Ziel und Bedeutung, sondern auch ohne Intention: Die Charaktere scheinen nicht nur lediglich der Berührung wegen zu berühren, des Sprechens wegen zu sprechen und sich der Bewegung willens zu bewegen, ohne jeglichen unmittelbaren Zweck, sondern oft auch nur deshalb zu berühren, weil sie dazu gezwungen worden sind; nur deshalb zu sprechen, weil ihnen befohlen wurde zu sprechen; und sich nicht aus eigenem Willen zu bewegen, sondern weil sie sich dem Willen eines Anderen unterworfen haben. Diese Gesten sind also nicht expressiv, sondern werden vielmehr als reiner Akt der Unterwerfung ausgeführt. Dieser Artikel erörtert den performativen Charakter eines Handlungsspielraums, der mit der reinen Geste übereinstimmt, indem Lanthimos Werk mit Giorgio Agambens Theorie der Geste gelesen wird.Downloads
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