Der panoptische Blick und die Panorama-Ansicht in und aus dem zaristischen Russland des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.17892/app.2022.00015.259Schlagworte:
Russisches Imperium; Panoptikum; Panorama; skopische Regime; Blick; Ansicht; Potemkinsche Dörfer; Öffentlichkeit; Feuilleton; Promenade; TourismusAbstract
Im Russischen Imperium entwickelten sich der panoptische Blick und die Panorama-Ansicht, die seit dem späten 18. Jahrhundert eng miteinander verflochten waren, parallel zueinander. Beide Blickregime erforderten eine spezifische Organisation von Raum und Sichtbarkeit, um eine binäre Beziehung zwischen Beobachtern und Beobachteten herzustellen, wie dies auch beim später aufkommenden Kinematographen der Fall war. Im Beitrag soll ihre Wechselbeziehung rekonstruiert werden – ausgehend von der "Inspektionsreise" der Zarin Katharina II. 1787 auf die Krim, die anhand von Beschreibungen und Darstellungen in den zeitgenössischen Zeitungen, Reiseberichten und Gemälden rekonstruiert wird.
Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurde das neu entstandene öffentliche Leben auf Promenaden und in Parks Sankt Petersburgs von beiden skopischen Regimen erfasst, wobei die Distanz zwischen Beobachtern und Beobachteten zunehmend verringert wurde. Gleichzeitig entstand eine neue Form bewegter Panoramen, wie die Promenade zum Katharinenhof am 1. Mai (1824-25) von Karl von Hampeln (Karl K. Gampel'n), der verschiedene selbstreflexive Motive des Sehens und Beobachtens in den karnevalesken Umzug einführte.
Dieselben visuellen und räumlichen Phänomene wurden auch in zeitgenössischen Stadtfeuilletons über Sankt Petersburg beschrieben. Sie wurden frühen touristischen Ausflügen gewidmet, die eng mit der dynastischen Erinnerungskultur verbunden waren. Im Beitrag wird ein Feuilleton über die Promenade zum Katharinenhof des Journalisten und Verlegers Fadej (Tadeusz) Bulgarin analysiert, der selbst daran teilnahm.
Nach dem niedergeschlagenen Dekabristenaufstand 1825 vergrößerte sich der Abstand zwischen Beobachtern und Beobachteten wieder, wie im Panorama des Nevskij Prospekts (1830-35) von Ivan A. Ivanov. Um 1900, als Panoramen mit dem frühen Kinematographen zu konkurrieren begannen, wurden im proto-filmischen Panorama der Transsibirischen Eisenbahn im Pavillon der russischen Provinzen auf der Weltausstellung in Paris der dynastische und der touristische Blick, die Ausstellung und die Selbstdarstellung, der panoptischen Blick und die Panorama-Ansicht miteinander verschmolzen. Schließlich werden die beiden skopischen Regime im Stadtfilm, in Kinozügen der 1920-30er Jahre bis hin zu Aleksandr Sokurovs Film Russkij kovčeg / Russian Ark (2002, Russland, Deutschland, Japan, Kanada, Finnland und Dänemark) verfolgt.
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